Berlin, 1. September 2025 – Die Bundesregierung steht vor einer potenziell weitreichenden Entscheidung: Die Förderung der deutschen Rüstungsindustrie könnte künftig aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) signalisierte auf einer Konferenz des „Handelsblatts“ zur Rüstungsbranche, dass eine Öffnung des Fonds für die Verteidigung „eine Überlegung sein“ könnte. Damit reagiert die Regierung auf die veränderte sicherheitspolitische Lage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022.
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Neue Realitäten: Warum die Rüstungsindustrie in den Fokus rückt
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die sicherheitspolitische Landschaft Europas grundlegend verändert. „Alte Gewissheiten sind verschwunden“, betonte Reiche. Russland zeige kein Interesse an einem Waffenstillstand, was die Notwendigkeit einer verstärkten Aufrüstung unterstreiche. Doch die Ministerin sieht darin nicht nur eine sicherheitspolitische Verpflichtung, sondern auch eine wirtschaftliche und technologische Chance für Deutschland. „Aufrüstung ist ein sicherheitspolitisches Gebot, es ist aber auch eine wirtschaftliche und eine technologische Chance für Deutschland“, erklärte sie.
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) ist einer der wichtigsten Finanzierungstopf der Bundesregierung. Bisher flossen die Mittel vor allem in Projekte wie die energetische Sanierung von Gebäuden, den Ausbau erneuerbarer Energien oder den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Mit der möglichen Öffnung für die Rüstungsindustrie würde der Fonds eine neue Dimension erhalten. Konkrete Details oder eine offizielle Bestätigung, welcher Fonds genau genutzt werden soll, nannte Reiche jedoch nicht.
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Milliarden für die Transformation – und jetzt auch für die Verteidigung?
Der KTF ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Instrument der Wirtschaftsförderung geworden. Er dient dazu, strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft zu unterstützen und zukunftsfähige Technologien zu fördern. Die Idee, nun auch Rüstungsunternehmen aus diesem Topf zu finanzieren, markiert einen Paradigmenwechsel. Bisher wurden aus dem Fonds vor allem Projekte im Bereich Klimaschutz und digitale Infrastruktur gefördert – etwa die Ansiedlung der Chipbranche in Deutschland.
Doch die aktuelle geopolitische Lage erfordert nach Ansicht der Bundesregierung ein Umdenken. Die Aufstockung des Wehretats und die Lockerung der Schuldenbremse zeigen bereits, dass die Regierung bereit ist, erhebliche finanzielle Mittel für die Verteidigung bereitzustellen. Der Sonderfonds zur Modernisierung der Bundeswehr ist ein weiteres Beispiel für die Priorisierung der militärischen Handlungsfähigkeit.
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Planungssicherheit für die Industrie
Reiche betonte, dass staatliche Finanzierungsmittel der Industrie Planungssicherheit geben sollen. Dies sei besonders wichtig, um die Produktionskapazitäten in der Rüstungsbranche auszubauen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte kürzlich erklärt, dass die Produktionskapazitäten bereits „beträchtlich“ gesteigert worden seien. Dennoch sei man „noch nicht am Limit“. Die Bundesregierung scheint entschlossen, die Weichen für eine langfristige Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie zu stellen – auch wenn dies bedeutet, traditionelle Förderbereiche wie den Klimaschutz mit der Verteidigungspolitik zu verknüpfen.
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Kritik und Kontroversen
Die mögliche Umwidmung von Mitteln aus dem Transformationsfonds für die Rüstungsindustrie könnte jedoch auf Kritik stoßen. Umweltverbände und Teile der Opposition befürchten, dass die Förderung der Rüstungsbranche zu Lasten von Klimaschutzprojekten gehen könnte. Zudem stellt sich die Frage, ob eine solche Entscheidung mit den ursprünglichen Zielen des Fonds vereinbar ist.
Befürworter argumentieren hingegen, dass die Stärkung der Verteidigung nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch der wirtschaftlichen Stabilität sei. Die Rüstungsindustrie biete hochqualifizierte Arbeitsplätze und treibe technologische Innovationen voran, die auch in anderen Bereichen der Wirtschaft genutzt werden könnten.
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Fazit: Ein Balanceakt zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit
Die Diskussion um die Förderung der Rüstungsindustrie aus dem Transformationsfonds zeigt, wie sehr sich die Prioritäten der Bundesregierung seit dem Ukraine-Krieg verschoben haben. Während die eine Seite die Notwendigkeit einer starken Verteidigung betont, warnt die andere vor einer Vernachlässigung der Klimaziele. Fest steht: Die Bundesregierung steht vor der Herausforderung, Sicherheit und Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen.
Ob und in welchem Umfang der KTF tatsächlich für die Rüstungsindustrie geöffnet wird, bleibt abzuwarten. Klare Aussagen vonseiten der Regierung stehen noch aus. Doch die Äußerungen von Wirtschaftsministerin Reiche deuten darauf hin, dass die Debatte über die Finanzierung der Verteidigung neu entfacht wird – und dass die Rüstungsbranche in Zukunft eine größere Rolle in der deutschen Wirtschaftspolitik spielen könnte.
Text und Recherche: lechat ai